Schüchternheit, Hemmungen, und Unwohlsein in sozialen Situationen - viele kennen das. Fühlst du dich oft unsicher, wenn du im Mittelpunkt stehst, Kontakte knüpfst oder eine Rede halten sollst? Machst du dir Gedanken darüber, was andere von dir denken und hast Angst, negativ bewertet zu werden? In den Themenwochen im Juni möchten wir über soziale Unsicherheit und Angst sprechen. Wir wollen herausfinden, wie sich diese Ängste äußern, und gemeinsam Strategien entwickeln, um sie zu überwinden.
Nach einem ersten Impuls von Moderatorenseite bist auch du in diesen Themenwochen herzlich eingeladen, dich mit deinen Erfahrungen, Meinungen, Ideen und Fragen einzubringen. Lass uns darüber diskutieren.
Von Ängsten bin ich selten eingeengt - Unsicherheit ist mir sehr vertraut.
Zum Beispiel, wenn ich im Digitalen unterwegs bin. Und das ist ja inzwischen ein wichtiger Teil des Sozialen.
Ich kenne auch eine soziale Unsicherheit und brauche immer etwas Zeit, um mit mir unbekannten Personen in Kontakt zu kommen.
In meiner professionellen Rolle ist das nicht so schwer.
Im Privaten doch stärker.
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Freilich bin ich insgesamt in meiner Lebensführung nicht besonders stark beeinträchtigt durch diese Unsicherheit und durch diese oder jene Angst.
AberGrenzen hat sie mir schon öfter gesetzt.
Etwa wenn es um beruflich leitende "Positionen" ging.
Die habe ich vermieden oder - als ich angefragt wurde - abgesagt - oder ich bin mit meinen wenigen Bewerbungen auf solche Stellen: gescheitert.
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Innerhalb meines persönlichen Nahraums erlebe ich seit Jahren, wie sehr eine manifeste Angststörung (von solchen wird hier ja auch erzählt)
die Lebensentfaltung eines Heranwachsenden beeinträchtigt.
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Therapeutische Begleitung hat da kleine Erfolge gebracht.
Aber der Weg dauert noch.
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Jesper Juul schrieb irgendwo, dass Selbstvertrauen oder Selbstwertgefühl bei jeder und jedem entstehen und wachsen kann.
Und die Basis dafür sei das "Selbstgefühl" - das Erspüren seiner selbst - um sich realistisch kennenzulernen: in seinen Schwächen und Ängsten - und auch in seinen Möglichkeiten und Stärken.
Jede gute Beziehung kann zu diesem Selbstgefühl und dann zum Selbstvertrauen beitragen.
Irgendwie muss der Glaube entzündet werden, dass wir nicht auf das festgelegt sind, was uns ständig fesselt und lahmlegt.
Das lässt sich aber nicht auf Anordnung oder gutes Zureden hin ändern.
Es ist so eine Mischung aus da-ran-gehen wollen und Beschenktwerden durch Momente oder Begegnungen, in denen eine Selbstbejahung möglich wird - allem Widrigen zum Trotz.
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Das sind gerade so meine Gedanken dazu.
LG - bke - Christian
Hi :)
Ich habe mich ehrlich gesagt lange gefragt, was mit mir falsch läuft, wieso ich in sozialen Situationen unsicher, verklemmt und deswegen auch sehr kalt reagiert habe. Schon als Kind hatte ich starke Angst vor Menschengruppen, auch wenn sie nur aus vier oder fünf Leuten bestanden. Inzwischen habe ich die Diagnose einer sozialen und einer generalisierten Angststörung. Ich weiß, es ist ein Klischee, aber das hat mir tatsächlich geholfen, etwas versöhnlicher damit umzugehen, dass ich schneller überfordert bin, viele Pausen brauche usw. Ich trage fast dauerhaft Gehörschutz, wenn ich durch die Schulflure laufen und kann in den Pausen nicht in der Halle sein, sondern suche mir ein leeres Zimmer. Es schränkt mich ein, klar. Ich kann nicht Gehörschutz in die Fußgängerzone oder Einkaufen oder Busfahren. Aber es ist okay geworden.
Ich habe eine Schule, die von meiner Problematik Bescheid weiß und mir wirklich sehr entgegenkommt. Ich habe einen Schlüssel für einen leerstehend Raum, in den ich mich jederzeit zurückziehen kann, darf im Unterricht rausgehen, wenn mir alles zu viel wird und habe wöchentliche Sitzungen bei der Schulsozialarbeiterin. Ansonsten würde ich die Schule gar nicht packen glaub ich. Meine Freunde wissen Bescheid und nehmen ganz lieb Rücksicht. Mir hat es wirklich sehr geholfen, anderen Leuten Bescheid zu sagen, damit ich mir jederzeit eine Pause holen kann, ohne lange erklären zu müssen.
Merkwürdigerweise hat das Zusammenleben mit sieben bis acht Mitpatienten in der Klinik sehr gut funktioniert, da habe ich mich sehr sicher gefühlt, wahrscheinlich auch, weil die Leute da ähnliche Probleme und somit total viel Verständnis hatten.
Was ganz schlimm für mich ist, ist Lärm, vor allem wenn er von allen Richtungen kommt und enge Menschengruppen, da habe ich das Gefühl ich bekomme keine Luft mehr, mir wird schlecht, teilweise muss ich mich übergeben, was dann den sozialen Druck nochmal erhöht.
Eine Sache mit der ich hadere ist das Unverständnis, wenn es mir an einem Tag besser und an dem anderen schlechter geht. An einem Tag kann ich mich in der Kantine aufhalten und am anderen nicht mal das Haus verlassen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen denken, es geht einem jeden Tag gleich und dann davon ausgehen, dass man gelogen hat oder übertreibt. Das ist ganz schlimm für mich, ich bin sehr sensibel, wenn ich das Gefühl habe, dass ich nicht ernst genommen werde.
Danke fürs Lesen :)
Bee
Hallo Apollo,
danke dir für das Teilen deiner Erfahrungen im Thementhread "soziale Unsicherheit". Du hast das toll auf den Punkt gebracht mit der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Bei diesem psychologischen Phänomen geht es ja um innere Glaubenssätze wie du sie genannt hast (z.B. ich benehme mich komisch, ich bin ein Freak), die wir in uns verankert haben und die dann unsere Gefühle und unsere Verhaltensweisen entsprechend beeinflussen. Das trifft sowohl im negativen Sinne zu wie auch im positiven.
Um mal ein Beispiel zu nennen: Wenn ich einen Vortrag halten soll und vorab die Annahme habe, dass ich dabei unsicher sein, seltsam rüberkommen, scheitern werde, werden diese Erwartungen und damit verbundene Gefühle wahrscheinlich eine entsprechende Wirkung auf mein Verhalten vor und während dieses Vortrags haben. Wenn ich andersrum davon ausgehe, dass ich den Vortrag schon meistern werde, dass ich das grundsätzlich schaffen kann und es auch gar nicht schlimm ist, wenn ich etwas Unsicherheit zeige, wird das ebenfalls eine Wirkung auf mich und mein Verhalten haben, vermutlich eher in eine stärkende Richtung die bei solch einem Vortrag dann hilfreich für mich sein wird.
Du hast in deinem Posting konkret über Referate in der Schule gesprochen, die für dich mit vielen Ängsten verbunden sind. In dem Zusammenhang meintest du, dass du vorab alle möglichen Szenarien im Kopf durchgehst. Mich interessiert an dieser Stelle, ob du dann eher an Szenen denkst die mit negativen Annahmen was passieren könnte verbunden sind oder ob du auch Positive Bilder/Gedanken vor Augen hast? Angenommen du kennst beides, erzeugt es einen Unterschied beim Halten so eines Referates mit welchen Vorannahmen du unterwegs bist?
Welche Erfahrungen macht ihr anderen User:innen damit?
Und wie seht ihr den von Apollo genannten Aspekt der gesellschaftlichen Wertung gegenüber sozialer Unsicherheit versus Sicherheit?
Soweit erstmal für heute zu deinen Gedanken mit vielen Grüßen
bke-Hana
Hallo alle zusammen!
Ich finde, dass es ein gutes Thema ist, welches mich auch betrifft.
In vielen von dem was Kira und Stephan/Hana geschrieben haben erkenne ich mich wieder.
Auch erkenne ich die beschriebene Abwärts-Spirale bei mir und vielen Situationen:
- geringer Selbstwert und geringes Selbstvertrauen
-> Unsicherheit, Schüchternheit, zurückhalten, Nervosität
-> man ist nicht man selbst
-> man benimmt sich komisch
-> negative Rückmeldungen von anderen
-> noch geringerer Selbstwert und noch geringeres Selbstvertrauen
-> usw. usw.
Man hält sich dann selbst für einen Freak und macht der Selffulfilling Prophecy aller Ehre.
Irgendwann ist der Zug abgefahren und man kommt aus dieser Spirale nicht mehr raus.
Es ist dann schwer bereits festgefahrene Muster zu durchbrechen.
In meiner Wahrnehmung sind extrovertierte Menschen gesellschaftlich angesehen - Introvertierte eher nicht oder gar das Gegenteil.
Diese gesellschaftliche Wertung verstärkt soziale Unsicherheiten oder soziale Ängste.
Oder sind sie sogar ein Grund von mehreren für soziale Ängste?
Das Internet sagt, dass es das Verhältnis von Extrovertierten und Introvertierten 50:50 sein soll.
Dennoch haben 50% einen höheren Stellenwert als die anderen 50%.
Zu den gestellten Fragen:
Ich fühle mich in Situationen wohler, in denen ich mich sicher fühle, sprich mit meiner Family oder meinen beiden Freunden.
Es sind Situationen in denen ich eher positive als negative Rückmeldungen auf mich und meine Person und Verhalten erhalte.
Die Schule ist für mich schon ein unsicherer Ort.
Referate vor den anderen zu halten daher auch mit vielen Ängsten verbunden.
Strategien habe ich dafür nicht wirklich. Ich bereite mich super gut vor und übe und gehe mögliche Szenarien vorher im Kopf durch.
Für Ratschläge wäre ich daher sehr offen und dankbar.
Viele Grüße
Apollo aka Aeneas
Danke liebe bke-Kira für den ersten Aufschlag. Hier jetzt die erste "offizielle" Themenwoche im Forum, von bke-Hana, die - wie ich finde - sehr gelungen ist. Wir alle freuen uns sehr auf Eure Reaktionen.
THEMENWOCHE: Soziale Unsicherheit und soziale Angst
Schüchternheit, Hemmungen, Unwohlsein, bis hin zu starker Angst in und vor sozialen Situationen, das kennen Viele nur zu gut. Betroffene vermeiden oftmals Situationen, in denen sie vermeintlich abgelehnt werden könnten oder setzen sich ihnen mit mindestens mulmigen Gefühlen aus. Die Gedanken kreisen dann in Bahnen wie: Bin ich in Ordnung? Reden die anderen schlecht über mich? Wie komme wohl rüber? Vielleicht denken die, dass ich irgendwie seltsam bin. Bestimmt weiß ich auf der Party nachher nichts zu erzählen, was die anderen interessiert. Und dann denken die Leute, ich bin dumm und langweilig. Ich möchte interessant rüberkommen und auch mal lockerflockig und unterhaltsam sein – wie kann ich das schaffen? Was wenn ich mich blamiere? Vielleicht gehe ich lieber doch nicht hin…
Als schüchterne oder auch sozial unsichere Menschen werden diejenigen bezeichnet, die Hemmungen haben Kontakte zu knüpfen. Im Mittelpunkt zu stehen finden sie beängstigend. In sozialen Zusammenhängen, sei es in Schule oder Arbeit, sei es in der Freizeit, halten sie sich aus Sorge, negativ bewertet zu werden oft stark zurück. Wenn sich eine Person, die sich in diesen Kontexten unsicher fühlt, zeigt fragt sie sich z.B., wie sie ankommt und schneidet in der eigenen Annahme darüber eher schlecht ab. Das erzeugt wiederum Hemmungen oder das Gefühl blockiert zu sein und kann dann zur Vermeidung von solchen Situationen führen. Im Extremfall ist die Angst vor negativer Bewertung so stark, dass sich Betroffene immer mehr zurückziehen und schließlich für sich bleiben. Auch, wenn der Wunsch nach Kontakt mit anderen, nach Teilhabe am Leben und nach Verbundenheit da ist – die Angst ist in diesem Fall stärker.
Selbst, wenn Betroffenen von sozialer Unsicherheit oder Angst positive Resonanz vom Gegenüber entgegengebracht wird, sind die eigenen negativen Glaubensätze oftmals so stark, dass dem nur schwerlich geglaubt werden kann. Die vielleicht anfängliche Freude über eine nette Rückmeldung, ein Lächeln oder ein Kompliment läuft Gefahr, von Zweifeln, ob das denn tatsächlich stimmen kann übertüncht zu werden.
Was hilft gegen soziale Unsicherheit und Angst?
Soziale Unsicherheit hängt meist mit einem verletzten Selbstwertgefühl und geringem Selbstvertrauen zusammen. Erfahrungen in der Familie, in Schule, mit Freund:innen oder auch mit fremden Personen und in Zusammenhang damit gelernte sogenannte innere Glaubenssätze spielen hier eine große Rolle. Doch diese Glaubenssätze (z.B. innere Sätze wie: ich bin nicht so gut wie andere, ich bin in den Augen anderer langweilig, ich bin wenig wert) stehen nicht in Stein gemeißelt. Wir können sie sozusagen überschreiben und so unser Selbstbild nach und nach in eine positive Richtung verändern.
Eine Möglichkeit, der Veränderung ist es, sich erstmal mit diesen Glaubensätzen auseinanderzusetzen und sie zu entlarven. Oft sind sie uns nämlich gar nicht so richtig bewusst. Auch geht es darum, sich selbst immer wieder ein inneres Stoppzeichen zu setzen, wenn so ein negativer innerer Satz aufkommt. Ein wichtiger Schritt ist es, statt in den negativen Gedankenstrudel hineinzugehen, dem mindestens einen positiven Gedanken entgegenzusetzen wie: Ich bin ok, weil …, an mir finde ich gut, dass …, ich kann …, ich mag an mir …
Da es nicht grade leicht ist, das eigene negative Selbstbild in ein positiveres zu verändern, kann es hilfreich sein, sich Unterstützung zu suchen, um diesen Weg zu gehen. Z.B. in Form von Austausch mit anderen denen es ähnlich geht, mit Hilfe einer Beratung oder auch einer Psychotherapie.
Eine weitere Strategie ist, die eigene Unsicherheit oder Angst zu versuchen anzunehmen, wenn sie einen wieder einmal einholt. Denn sie ist ja nun mal da und lässt sich nicht einfach so wegzaubern. Sich also sowas zu sagen wie: „Ok, da bist du wieder Angst, wir kennen uns ja schon gut und ja, weiß ich, du willst mich eigentlich schützen. Na gut, dann gehen wir heute eben zusammen los wenn es sein muss“.
Daneben kann auch die Auseinandersetzung mit der Frage stehen, ob es nicht auch sein darf, sich unsicher zu fühlen und damit wahrgenommen zu werden. Oft unternehmen Menschen, die sich unsicher fühlen, große Anstrengung, um sich nichts davon anmerken zu lassen. Aber ist es wirklich so schlimm, wenn andere registrieren, dass ich mich unsicher fühle und/oder Angst habe – und was genau wäre oder ist so bedrohlich daran? Ich finde, diese Frage dürfen wir uns alle stellen.
Wenn ich mich umschaue in Fachbüchern, im Internet oder Erfahrungsberichten, stoße ich auf zahlreiche Bewältigungsstrategien, Ratschläge und Tipps, die der einen und dem anderen mehr oder weniger helfen, die Unsicherheiten und Ängste zu überwinden. Darauf möchte ich an dieser Stelle nicht mehr eingehen, sondern euch User:innen des Jugendforums erstmal Folgendes fragen:
Was mögt ihr erzählen über Unsicherheiten und soziale Ängste, die ihr kennt?
Wie geht ihr damit um?
Gibt es soziale Kontexte, in denen ihr euch recht sicher und wohl fühlt.
Wo oder wann hingegen erlebt ihr Unsicherheiten, die euch zu schaffen machen?
Habt ihr Strategien oder Hilfsmittel für euch gefunden, die ihr gerne weitergeben möchtet?
Gibt es Grenzen an die ihr stoßt?
… ?
Ich wünsche euch einen guten und mutigen Austausch über all das und vieles mehr, was euch zu diesem Thema beschäftigt.
bke-Hana
Hallo Zusammen,
noch ist es still hier und es passt irgendwie zu unserem Thema im Juni.
Die Stillen, die Schüchternen...oder auch „die Introvertierten“ genannt. Wie bringen sie sich ein und was hat es auf sich, so zu fühlen, zu sein, zu leben?
Hier soll es auch um die Angst gehen, die ein Hindernis im Kontakt sein kann und ungewollt bremst.
Ich finde besonders interessant und erwähnenswert die Kehrseite der Medaille. Gibt es hinter dieser schüchternen und unsicheren Seite auch die Seite, die laut ist und in den Mittelpunkt möchte? Wollen sie auch mal auf die Bühne: gesehen und gehört, bewundert werden? Ist es bei allen Schüchternen so oder unterscheidet es sich? Gibt es auch zufriedene und genügsame mit dieser Tendenz oder wollen alle mehr Mut und Sicherheit? Was fehlt und frustriert die Schüchternen und Ängstlichen? Wie bringt man beides in die Mitte, ohne dass man sich falsch fühlt und frustriert ist? Was ist normal und was ist schon drüber und muss und kann behandelt werden?
Einen stillen und lauten Austausch über Ängste, Unsicherheiten, Hemmungen sowie Schamgefühle, Selbstzweifel, Geheimwünsche, Sehnsüchte und bittere Erfahrungen, die mit dem Gefühl einhergehen nicht gut genug oder nicht besonders zu sein. Aber auch Ideen dazu, wie man sich so annimmt wie man ist und immer wieder den Mut schöpft durch die Angst zu gehen und tolle und neue Erfahrungen zu machen.
Dabei denke ich auch an weltbekannte Schauspieler, Musiker, Komiker, die bekanntlich schüchtern im direkten Kontakt waren bzw. sind, man es ihnen auf der Bühne jedoch nicht ansah. Phänomenal, oder?
Abendliche und stille Grüße versendet nachdenkliche und mit diesem Thema gut vertraute
bke-Kira